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DIE FARBEN DES HIMMELS – 15 kretische Ikonen aus einer europäischen Privatsammlung

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2017-10-09 2018-01-17 09.10.2017

Ikonen-Museum Recklinghausen
22. Oktober 2017 – 25. März 2018

Obwohl das Ikonen-Museum Recklinghausen insgesamt mehr russische als griechische Ikonen besitzt, gehört seine Kollektion von Ikonen, die vom 15. bis 17. Jahrhundert auf der Insel Kreta gemalt wurden, zu den bedeutendsten außerhalb Griechenlands. Deshalb war es ein großer Glücksfall, dass ein Sammler aus dem europäischen Ausland seine äußerst hochkarätige Kollektion von 15 kretischen Ikonen für eine Ausstellung anbot. Diese Ikonen waren bisher zum größten Teil weder ausgestellt noch publiziert worden. Sie eröffnen nun – gerade auch in Kombination mit den Ikonen der ständigen Sammlung des Ikonen-Museums – die Gelegenheit, verschiedene Aspekte der kretischen Ikonenmalerei in der Zeit ihrer künstlerischen Blüte eingehend zu betrachten und zu studieren oder einfach ihre Schönheit zu genießen und ihre spirituelle Kraft auf sich wirken zu lassen. 

Die 15 Ikonen vermitteln einen hervorragenden Überblick über die Vielfalt der Themen, der Formen und über die stilistische Entwicklung der Ikonenmalerei auf der größten griechischen Insel in nachbyzantinischer Zeit. Unter ihnen befinden sich sowohl großformatige Kirchenikonen als auch kleine Tafeln und drei- bzw. fünfteilige Klappikonen, die für die private Andacht geschaffen wurden (Abb. 1). Auf den ausgestellten Ikonen sind viele wichtige Themen der ostkirchlichen Kunst zu finden: Christus als Schmerzensmann, die Muttergottes in mehreren Varianten (Abb. 2),die Versammlung der Erzengel, die christlichen Festtage wie z.B die „Verkündigung an Maria“, die „Beweinung Christi“ (Abb. 3) und das „Entschlafen der Muttergottes“ sowiemehrere Heilige wie der Prophet Elija, der Asket Onuphrios unddie Großmärtyrerin Katharina von Alexandrien. Eine eindrucksvolle Darstellung zeigt die Enthauptung der Zehn Märtyrer von Kreta (Abb. 4), die der Christenverfolgung unter Kaiser Decius im Jahre 250 in der Nähe der damaligen kretischen Hauptstadt Górtyn zum Opfer fielen. 

Kreta war schon sehr früh, nämlich bereits durch den Apostel Paulus,mit dem christlichen Glauben in Berührung gekommen. Er hielt sich auf einer seiner Missionsreisen auf Kreta auf, wenn auch nur kurz, und übertrug dann die Organisation der Kirche seinem Mitarbeiter Titus, welcher der Überlieferung nach bis zu seinem Lebensende als Bischof der Insel wirkte.

Während des Vierten Kreuzzugs fiel Kreta 1211 an die Venezianer, welche die Herrschaft über die Insel bis zur Eroberung durch die Osmanen 1669 ausübten. Vor allem in den ersten zwei Jahrhunderten lehnten sich die Einwohner in mehrfachen Aufständen gegen die Besatzer auf, welche die Insel wirtschaftlich ausbeuteten und ein autoritäres Regiment führten. Eine große Rolle spielten auch die religiösen Differenzen zwischen der griechisch-orthodoxen Bevölkerung und den römisch-katholischen Venezianern. Alsjedoch abzusehen war, dass der byzantinische Kaiser wegen der Bedrohung des Reiches durch die Osmanen nicht mehr in der Lage sein würde, Kreta zurückzuerobern, stabilisierte sich das politische Klima, was sich auch günstig auf die künstlerische Produktion auswirkte.

Die Eroberung der byzantinischen Hauptstadt Konstantinopel 1453 durch das osmanische Heer und der Kampf um Kreta, der von 1645 bis 1669 dauerte und mit der Niederlage der Hauptstadt Candia (heute Herakleion) endete, bilden die zeitlichen „Eckpfeiler“ der postbyzantinischen Periode auf Kreta und damit auch der Ausstellung. Die Ikonen, die in dieser Zeit von kretischen Malern geschaffen wurden, spiegeln deutlich die historische Situation und die sozialen Bedingun¬gen während der Okkupation der Insel durch die Venezianer wider. Sie waren geprägt durch einen kulturellen Austausch im Spannungsfeld zwischen der bedeutenden byzantinischen Tradition, die durch Flüchtlinge aus Konstantinopel vermittelt wurde, und westlichen Elementen, welche die kretischen Maler durch den Austausch mit ihren venezianischen Kollegen, durch Stiche und Gemälde auf Kreta selbst oder im Zuge von Reisen oder Aufträgen in Italien, v.a. in Venedig, kennenlernten. Durch diesen fruchtbaren Dialog und die Bereitschaft der kretischen Künstler, sich den Anforderungen der neuen kulturellen Verhältnisse und den neuen Realitäten zu stellen und den Wünschen und Vorlieben ihrer sowohl katholischen als auch orthodoxen Auftraggeber in Stil und Ikonographie entgegenzukommen, wurde aus der erzwungenen Koexistenz zweier Kulturen aufKreta eines der wichtigsten und interessan¬testen künstlerischen Zentren Europas und des gesamten Mittelmeerraums in der Zeit vom 15. bis 17. Jahrhundert.

Jede der ausgestellten 15 Ikonen ist ein Meisterwerk; vier davon wurden von ihren Autoren signiert und datiert. Dies ist ein in der Ikonenmalerei eher seltener Brauch, der aber vom berechtigten Stolz der Maler und ihrer Auftraggeber auf die von ihnen geschaffenen Werke zeugt. Da viele Künstler nicht nur durch signierte Werke namentlich bekannt sind, sondern auch durch Archivalien, die Daten zu ihrem Leben und zu ihren Aufträgen nennen,kann man sich ein genaueresBildvon dem Leben der Künstler, von den Auftraggebern und den historischen Umständen jener Zeit machen. So werden aus den anonymen Ikonenmalern der früheren Jahrhunderte konkrete Künstlerpersönlichkeiten, denen man ein bestimmtes Oeuvre zuschreiben kann, das nun durch die signierten, aber bisher unbekannten Werke in der Ausstellungerweitert werden kann.

Aber auch die von anonymen Malern geschaffenen Werke faszinieren durch ihre künstlerische Schönheit und ihre Spiritualität den heutigen Betrachter. Sie offenbaren eine Welt des Lichts und der Harmonie, die in unserem oft hektischen Leben etwas ganz Besonderes ist.

Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter Ausstellungskatalog mit einführenden Aufsätzen sowie ausführlichen Beschreibungen aller ausgestellten Ikonen: Eva Haustein-Bartsch / Simon Morsink: DIE FARBEN DES HIMMELS. 15 kretische Ikonen aus einer europäischen Privatsammlung mit 112 Seiten zum Preis von 29,00 Euro. Er ist erhältlich im Ikonen-Museum und kann dort auch bestellt werden.

Informationen:
Ikonen-Museum
Kirchplatz 2a
D-45657 Recklinghausen
Telefon +49 (0) 2361 50-1941
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www.ikonen-museum.com